Internetzensur schützt nur die Täter

Da ich der Pressemitteilung des CCC vollkommen zustimme und mich über die von technischer und sachlicher Inkompetenz geprägten Äußerungen unserer Familienministerin über Internetsperren regelmäßig ärgere, gibts die Pressemitteilung hier im Wortlaut:

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat in einer Studie [1] festgestellt, dass die von Familienministerin von der Leyen vorgeschlagenen Sperrverfügungen bei Internet-Providern auf Basis von Listen des Bundeskriminalamtes (BKA) verfassungsrechtlich in höchstem Maße bedenklich ist.

Der Chaos Computer Club (CCC) fühlt sich in seiner bereits Ende November geäußerten grundsätzlichen Stellungnahme [2] zum Thema Internetzensur bestätigt. Die vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages durchgeführte Untersuchung konzentriert sich jedoch auf die Rechtskonformität und Verfassungsverträglichkeit der Sperrverfügungen. In der aktuellen Diskussion kommt jedoch nach Ansicht des CCC die tatsächliche Strafverfolgung der Täter viel zu kurz. Da es sich bei den sogenannten “problematischen Inhalten” um Dokumentationen realer Verbrechen an Kindern handelt, muss dies der eigentliche Fokus staatlichen Handelns sein.

“Eine Ausblendung problematischer Inhalte durch Sperrverfügungen wie von Frau von der Leyen vorgeschlagen würde bedeuten, dass die Taten und die Täter der Wahrnehmung und auch der Strafverfolgung entzogen werden. Staatliche Defizite bei der Verfolgung dieser Straftaten löst man aber nicht dadurch, dass man die Darstellung der Delikte ausblendet”, sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn zu dem Vorschlag von der Leyens.

Eine statistische Auswertung der Filterlisten [3] aus der Schweiz, Dänemark, Finnland und Schweden ergab, dass sich mehr als 96% der dort gesperrten Server in westlichen Ländern, vor allem den USA, Australien, Kanada und den Niederlanden befinden. Es ist in keiner Weise plausibel, dass diese Server und ihre Betreiber nicht auf dem Wege der internationalen Kooperation der Strafverfolgungsbehörden aus dem Verkehr gezogen werden können. Offenbar mangelt es hier an politischem Willen, entsprechende Prioritäten zu setzen und die nötigen Ressourcen bereitzustellen. Die Argumentation, man käme an die Täter ja nicht heran und müsse deshalb zu Zugangsbehinderungen greifen, entspricht jedenfalls nicht den Tatsachen. Dass die propagierten “Sperren” mit einfachsten Mitteln zu umgehen sind, ist hinlänglich bekannt.

“Da die Server erst dann auf die BKA-Sperrlisten gelangen können, wenn sie den Ermittlern bekannt sind, gibt es keine Ausrede der Strafverfolger, nicht unmittelbar gegen die Betreiber vorzugehen. Entsprechende Anstrengungen zur internationalen Kooperation und effektiven Strafverfolgung liegen aber offenbar gerade nicht im Fokus der Politik”, sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn.

Anstatt also effektive und zielführende Maßnahmen zu ergreifen und das Übel an der Wurzel zu packen, wird versucht, durch Druck auf die Internetanbieter eine Zensurinfrastruktur zu schaffen. Sobald die Technik für Inhaltszensur einmal installiert ist, wird sie zweifelsohne auch für andere Interessen, wie etwa die der Musikindustrie, verwendet werden. Hier wird ohne sachliche Gründe eine Schwelle überschritten, die den Weg zu einem staatlich zensierten Internet öffnet. Beispiele aus den von Frau von der Leyen so hochgelobten skandinavischen Ländern zeigen, dass Sperrfilter dort bereits missbraucht wurden, um eine Diskussion über die Filter selbst zu zensieren. [4] Dabei wurden sachliche Kritiker der Sperrsysteme pauschal als Kinderporno-Freunde diffamiert, um eine sachliche Diskussion zu unterbinden. Ähnliches ist in der Debatte in Deutschland bereits zu beobachten.

Der Chaos Computer Club fordert daher, anstelle einer Internetzensur durch die Hintertür endlich effektive Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und der damit zusammenhängenden Geschäfte zu ergreifen.

“Das Internet spiegelt hier reale gesellschaftliche Probleme wider, die gelöst und nicht verdrängt werden müssen. Die gesetzlichen Grundlagen für die Verfolgung der Täter sind bereits vorhanden, was fehlt ist ein geschlossenes Vorgehen inklusive der dazu notwendigen personellen Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden. Dass man mit Sperrverfügungen und dem Ausblenden von problematischen Inhalten hier versucht, eine Lösung des Problems zu simulieren, ist bloßer Populismus. Es handelt sich um eine Täuschung der Öffentlichkeit mit dem Ziel der Errichtung einer Zensurinfrastruktur, die einer Demokratie unwürdig ist”, fasste CCC-Sprecher Müller-Maguhn die Bedenken des CCC zusammen.

Quelle: http://www.ccc.de/press/releases/2009/20090212/

Was war doch gleich mit der Telekom?

Wahrscheinlich ist das Fehlen eines Langzeitgedächtnisses typisch für eine Informationsgesellschaft. Weiß noch einer, was da vor kurzem, äh, vor einer Ewigkeit von der Telekom für ein Schweinerei mit Telefonverbindungsdaten veranstaltet wurde? Nein?

Gerade die öffentlich rechtlichen Medien, die hier besonders aufklärend zu Tate schreiten müssten, haben das Thema längst vergessen. Wer weiß, ob Datenschutz 2.0 nicht zum Datenschutz 0.1-beta verkommt…

Scheiße am Schuh

Ein bemerkenswerter Fall hat sich in einer Stuttgarter Volksbank abgespielt. Dort wurde die Mutter eines dreijährigen Mädches per Videoüberwachungsmaterial identifiziert um ihr eine Reinigungsrechnung zuzustellen. Der Grund: Das Mädchen war in einen der vielen beliebten städtischen Hunde-Häufchen gelatscht und hinterließ folglich eine Spur während es die Mutter zum Geldabheben in die Bank begleitete.
Quelle: Artikel beim SWR

Tja, wer nix zu verbergen haben will, sollte sich keine Kinder zulegen.

Kommentar von Tim Pritlove in The Lunatic Fringe

Demo gegen Vorratsdatenspeicherung am 6.11.2007 in Berlin

Mittlerweile ist mir zum Glück wieder warm. 🙂 Bei nass-kalten 5 Grad Celsius und heftigem Wind demonstrierten in Berlin ca. 1500 Menschen gegen die für Freitag vorgesehene Abstimmung (und Beschließung) der Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat. Wegen der Bannmeile um das Reichstagsgebäude konnte die Demonstration nicht, wie ursprünglich geplant, auf dem Platz vor dem Reichstag stattfinden, sondern musste an den Rand eines kleinen Wäldchens, etwa 100 m weiter, umziehen.

Bei der Demonstration angekommen war ich ersteinmal baff, wie man einen so ungünstigen Ort für eine Demonstration wählen kann: Wegen der fortgeschrittenen Tageszeit war es ja schon dunkel – in dem Wäldchen aber, fern einer Straßenbeleuchtung, verschwammen die Menschen vollkommen medienunwirksam in der noch tieferen Dunkelheit. Deswegen und aufgrund der eher schlechten Verständlichkeit der Redner war der erste Teil der Demo eher… langweilig.

Dann folgte die Bildung einer Lichterkette. Vor der Demonstration war dazu aufgerufen worden, Kerzen und Lampen mitzubringen. Die entstehende Kette vom Brandenburger Tor bis zur Straße am Reichstag und an dieser entlang war daher schon ein Schauspiel. Nach einem eher dezentralen “Die Gedanken sind frei”-Lied löste sich die Kette auf und die Demonstration wurde vom Veranstalter etwas früher als geplant als beendet erklärt.

Daraufhin setzten sich viele Teilnehmer der Demonstration in Richtung Reichstag in Bewegung, sodass sich auf der Treppe vor dem Gebäude erneut eine Gruppe von mehreren hundert Menschen bildete. Lobenswerterweise beließ es die schnell herbeigeeilte Polizei dabei, den Eingang des Reichtags abzusperren ohne die neuerliche (nichtgenehmigte und in der Bannmeile stattfindende) Versammlung aufzulösen. Es folgte die gleiche positive und friedliche Stimmung, die mir auch schon auf der letzten Demonstration “Freiheit statt Angst” aufgefallen war; ein ziemlich planloses Durcheinander zwar, aber im guten Willen.

Nachdem der Photoapparat fast voll und die Hände fast blutleer waren, gings dann durchgekühlt wieder nach Hause.

Überwachungsstaat 2.0-Beta

Die Freundin Anna des Terrorverdächtigen Andrej Holm bloggt über ihren Alltag unter Vollüberwachung:

Plakat für Demonstration gegen die Vorratsdatenspeicherung am 6.11.2007Passend dazu wird heute nocheinmal dezentral gegen die Vorratsdatenspeicherung demonstriert. Diese soll Ende der Woche beschlossen werden. Das Wann-und-Wo der Demonstration gibts auf der Website des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

In Berlin wird von 17.00 bis 19.00 Uhr vor dem Reichstagsgebäude demonstriert. Die Veranstalter fordern dazu auf, Kerzen und Windlichter mitzubringen. Photos wirds dann heute Abend hier geben.